Meine Würde 

In meine Praxis kommen immer wieder Menschen, die sich gerade in schwierigen Lebenssituationen befinden oder mit „ihrem Leben“ unzufrieden sind. Mir fällt auf, dass viele Frauen nach Trennungen von ihrem Partner oder nach Scheidungen an sich selbst zweifeln und sich als Person in Frage stellen. Sie haben das Gefühl, nicht mehr dazu zu gehören und denken negativ und bewertend über sich. Oft auch lassen sie sich vom Gegenüber etwas einreden, was im Grunde gar nicht ihrer Meinung entspricht.

Auch wenn zwei Meinungen aneinandergeraten, so ist es doch wichtig, dem Anderen seine Würde und Meinung zu zugestehen.

Etwas ist „unter unserer Würde“:

 das gilt nicht nur für andere, die uns schlecht behandeln. Das gilt auch für uns, wenn wir nicht gut zu uns sind.

Das zutiefst Menschliche in uns, unser innerer Kompass, das ist unsere Würde. Jeder Mensch ist in der Lage, ein Gespür für das zu entwickeln, was seine Würde ausmacht.

Auslöser für das Bewusstwerden seiner eigenen Würde sind meist entscheidende persönliche Erfahrungen. Die Selbstbestimmung jedes Menschen macht seine Würde aus.

Seine Würde als Mensch kann man nur selbst verletzen.

Wann beginnt man, seine Würde zu lernen, sich ihrer bewusst zu werden?

Jedes Kind möchte dazugehören und gesehen werden und möchte lernen, wie man lebt. Deshalb schauen sie anderen, die schon mehr können, auch so aufmerksam zu. Überall wollen sie dabei sein, dazugehören und mitmachen. Sie lernen nicht nur ihr eigenes Leben zu gestalten, auch ihr Zusammenleben mit anderen Personen. Das kann liebevoll und unterstützend sein, aber auch anders.

Nicht alle Kinder machen die Erfahrung, um ihrer selbst willen geliebt zu werden. Sie wissen noch nicht, weshalb das so ist und was es bedeutet, wenn ihre Würde verletzt wird. Sie können es nur spüren, es macht ein unangenehmes Gefühl.

Kleine Kinder wissen noch nicht, was richtig wäre, was andere Menschen tun müssten, wie sie mit ihm umgehen sollten, damit es gut wäre. Von Anfang an spüren Kinder aber, wenn es nicht passt und sie haben ein Gespür dafür, wie es richtig wäre.

Das ist ihr innerer Kompass, den bringen sie schon mit auf die Welt.

Im Gehirn wird nun nicht länger das Empfinden für das, was sie brauchen und was für sie gut ist, gestärkt, sondern es entwickeln sich neuronale Verschaltungsmuster, die durch eigene Erfahrungen verstärkt werden.

Diese Erfahrungen bilden das Fundament der Würde.

Die Verschaltungsmuster entwickeln sich weiter und sind die Grundlage dessen, was wir als Bewusstsein der Würde eines Menschen bezeichnen. Im familiären Umfeld ist es für Kinder wichtig, sich bedingungslos angenommen zu fühlen und nicht den elterlichen Erwartungen untergeordnet.

Wenn ich das als Kind erfahren habe, kann mein innerer Kompass mich immer wieder leiten, in Würde mein Leben zu meistern und zu gestalten.

Aber auch wenn man das Glück in seiner Kindheit nicht hatte, kann man mit seinem inneren Kompass lernen, würdevoll durch das Leben zu gehen.

Würde hat etwas damit zu tun, wie Menschen miteinander umgehen, wie sehr sie füreinander einstehen, wie sie sich in gegenseitiger Achtung begegnen.

Menschen, die sich ihrer eigenen Würde bewusst sind, verhalten sich achtsamer, liebevoller, sie ruhen stärker in sich und strahlen Ruhe aus.  Durch ihr Verhalten ermutigen und inspirieren sie andere.

Jeder Mensch kann sich zu jedem Zeitpunkt seines Lebens entscheiden, anders zu leben als bisher.

Du kannst heute damit beginnen:

Achtsamer mit dir selbst und anderen umzugehen.

Bewusster zu sein mit dir und deinen Handlungen.

Wie ist deine Vorstellung von Würde?

 

Buchempfehlung:

„Würde, was uns stark macht – als Einzelne und als Gesellschaft“

von Gerald Hüther

Ich freue mich auf unseren nächsten Sonntagstee,  am 26. Jänner 2020

Kerstin Rauchlechner